Lenin

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Ohne Berufung auf Lenin geschieht in Rußland überhaupt nichts.
Franz Jung, Das geistige Rußland von heute (1924)

10. April 1870: Wladimir Iljitsch Uljanow geboren

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Kalenderblatt: Robert Gernhardt´s ewiger Kalender (Dichtung und Wahrheit: Der Tag ist Prosa, die Jahreszahl dichterische Freiheit)


Stalin, Trotzky und Lenin sassen im East End an einem Tisch,
einen Tag vor den russischen Präsidentenwahlen darf man sich nochmals daran erinnern, vielleicht landet die kommunistische Partei endgültig auf dem Müllhaufen der Geschichte. Was kommt, weiss niemand, eine Vision gibt es nicht. Weil ich Kopien brauche, wandere ich durch den Markt an der Whitechapel Road bis zur Nummer 221. Hier war einst der Jewisch Socialist Club, heute ist ein Fotoladen im Parterre, im ersten Stock eine Zahnklinik, keine Spuren von Weltgeschichte.

«Doch, doch, da war etwas, 1907», sagt Mr Stuart und lacht. «Aber ich erinnere mich nicht mehr genau. Unter dem Dach da oben trafen sie sich.» Sein Zeigefinger weist zur niedrigen Decke.
Im Mai 1907 waren die Gründerväter der Sowjetunion noch keine Todfeinde, der Zar, der gemeinsame Feind, noch an der Macht. Sie unterschrieben einen Schuldbrief, George Fels, ein reicher amerikanischer Naphta-Fabrikant, lieh den Revolutionären 1700 Pound, das reichte damals für eine Druckmaschine und für Reisespesen. Noch kämpfte die Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei mit dem Wort, nicht mit der Waffe. Die Partei, damals noch geeint, hielt im East End ihren fünften Parteikongress ab, im Estrich des unscheinbaren Hauses hallten gewiss lange und schwere Reden und der Stumpenrauch trieb in Schwaden. Die Schuld wurde 15 Jahre später zurückbezahlt, angeblich auf Anweisung des sterbenden Lenin. Vielleicht hoffte er trotz allem noch auf den Himmel. Lenin hatte 1902-1903 in London gelebt, noch schwebte der Geist von Karl Marx über den Dächern.

East End Folklore. Heute pulst der Verkehr, die Marktfahrer bauen ihre Stände auf, Gemüse, Kleider, Schuhe und Taschen, ein gelber Helikopter landet auf dem Dach des Royal Hospital. Mr Stuart verkauft Filme und hie und da eine Kamera, man kann auch farbig kopieren.
«Ja, ja, das Haus ist berühmt», sagt er. «was solls...»

aus: London-Tagebuch von Zopfi. Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Weitere Texte des Autors:

http://www.access.ch/zopfi/London/Lond27.html