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Artikel "Die Höllenhunde schlafen wieder ein" (F.A.Z.- Feuilleton vom 9.
Januar): Daß sich die im besten Sinne des Wortes wertkonservative Grundhaltung mit festen
ethischen Prinzipien des gerade siebzig Jahre alt gewordenen
"Jahrhundertreporters" Tintin mit einer ganz und gar nicht kleinbürgerlichen,
vielmehr aufregenden und aufgeklärten Lebensweise verbinden ließ, machte ihn gerade für
deutsche Linksintellektuelle stets verdächtig. Während Tintins Erfolg in aller Welt
beispiellos ist, führen "Tim und Struppi" hierzulande neben nicht annähernd
tiefgründigen Comicfiguren eher ein Schattendasein. Daß gerade in unserem kleinen
Nachbarland Belgien durch den Zeichner Georges Remi ("Hergé") eine fiktive
Persönlichkeit geschaffen wurde, die moralisch handelt, aber stets von moderner Toleranz
beseelt ist, ist für Deutschlands postprogressive achtundsechziger Jugendkulturinstanzen
nicht faßbar. Sie verachten bis heute Tims (und Struppis) frühe Kritik an der
kommunistischen Gewaltherrschaft und die für Belgier typische weltläufige
Bodenständigkeit, wagen aber ob seiner Popularität bei jung und alt keine offene Häme.
Aber auch im Falle Tintins gilt: Wirkliche Klasse setzt sich auch gegen "political
correctness" letztlich durch.
Thomas P. Reiter, Hamburg
FAZ 19. Jan. 1999, S. 13