Was war ist eigentlich ... der Klassenfeind             

 

Der Klassenfeind ist das Böse und das Falsche schlechthin. Wo er ist, darf man selbst nicht sein; Was er denkt, darf man selbst nicht denken; denkt man es doch einmal, muß man sich selbst mißtrauen. Der Klassenfeind ist ein verläßlicher Korrektor unseres Tuns; wenn er uns lobt, haben wir einen Fehler gemacht. Wenn wir an unseren Überzeugungen zweifeln und es könnte dem Klassenfeind dienen, müssen wir den Zweifel unterdrücken. Wenn wir vom Gegenteil unserer Überzeugungen überzeugt sind und könnten dadurch dem Klassenfeind nützen, müssen wir unsere gegenteilige Überzeugung verschweigen. Ohne den Klassenfeind wüßten wir eigentlich überhaupt nicht, was richtig und was falsch ist.

 

Monika Maron, Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999)